Mit der Filmkamera durch die Bergbaufolgelandschaft


„Wir erkunden die Bergbaufolgelandschaft“ – Unter diesem Projekttitel gaben der Kassler Bildhauer Friedrich Pohl, der Vorsitzende der Borkener Marinekameradschaft, Hans Georg Braun und Bürgermeister Marcel Pritsch 14 Jugendlichen bereitwillig Antwort auf zahlreiche brennende Fragen. „Wo ist der Drache?“ „Wie kommt das Küstenwachboot auf den Singliser See?“ „Wie wichtig ist die Bergbaufolgelandschaft für Borken?“ Um nur einige der Fragen aufzugreifen.

SMART TV-Filme-Macher

Die Jugendlichen waren mit Feuereifer bei der Sache, arbeiteten sich in die Thematik ein, wählten selbst die Drehorte aus, überlegten sich die Filminhalte, entwickelten gemeinsam ein Drehbuch und los ging´s. Kamera ab. Die SMART TV-Filmer wurden altersgerecht durch die beiden Medienpädagogen Suayip Günler und Gabriel Chiarello vom Verein „Zeit für Kinder“ angeleitet, erlernten die Kniffs beim Drehen und beim Tonaufnehmen. Sogar der Filmschnitt erfolgte durch die Jugendlichen selbst. „Wir haben total viel gelernt“, resümierte Kyo Beutler. Der Zwölfjährige und die anderen Projektteilnehmenden moderierten, stellten Interviewfragen, nahmen den Ton auf, standen vor und hinter der Kamera. „Ich möchte Journalistin werden. Das Projekt ist ein tolles Training dafür“, sagte Annika Lindner, die zum 2. Mal am Museumsprojekt teilnahm.

Die Film-Crew verteilte sich während der Projektdauer vom 17. bis zum 26. Juli auf höchst unterschiedliche Drehorte – angefangen vom Naturbadesee Stockelache, über das Naturschutzgebiet Borkener See und das Küstenwachboot am Singliser See bis hin zur Dosenbergkippe und zur Gedenkstätte Stolzenbach. Alle Drehorte lagen am Braunkohlerundweg, der den Roten Faden des Kurzfilms bildet. Der 32 Kilometer lange Rad- und Wanderweg verknüpft die Bergbaufolgelandschaft und bietet sehenswerte, filmreife Sichtachsen auf und in die Second-Hand-Landschaft.

Seenland aus Bergmannshand
„Borken ist von einer wunderschönen Landschaft umgeben, die wir gerne touristisch und naturräumlich nutzen, gleichzeitig aber auch als Naherholung und lebenswertes Wohnumfeld für die Bevölkerung sehen“, erläuterte Marcèl Pritsch. Der Bürgermeister lobte die Jugendlichen: „Es ist toll, dass Ihr mit Eurem Film dafür sorgt, dass die Zuschauer und Internetuser die Schönheit der Region kennenlernen können“. Pritsch spielte darauf an, dass der SMART Museum TV-Film über den Offenen Kanal in Kassel und auf youtube im Internet einsehbar sein wird. Genauso wie die beiden ersten Filmprojekte über den Themenpark Kohle & Energie (2019) und den Besucherstollen (2020).

Bürgermeister Marcél Pritsch (rechts), neben ihm Hans Georg Braun von der Marinekameradschaft mit dem „Kamerateam Küstenwachboot“ und den Projektteilnehmern von SMART Museum TV am Singliser See.

Das Hessische Braunkohle Bergbaumuseum, der Verein „Zeit für Kinder“, Kassel, und der Offene Kanal Kassel kooperierten somit bereits zum dritten Mal. SMART Museum TV ist Teil eines groß angelegten Programmes unter dem Titel „Kultur macht stark“, das u. a. dazu dient, Kultur im ländlichen Raum zu fördern. Dahinter stehen der Deutsche Museumsbund und das Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berlin.

„Kultur macht stark“ / „Museum macht stark“
Für das maritime Flair in der Borkener Bergbaufolgelandschaft sorgt das Küstenwachboot der Marinekameradschaft am Singliser See. Der Badestrand, die Wasserlandschaft und die Liegewiesen an der Stockelache verbreiten mediterrane Atmosphäre. „Borken ist bundesweit ein Musterbeispiel für die erfolgreiche Rekultivierung einer Bergbaufolgelandschaft“, bilanzierte Bürgermeister Pritsch nicht ohne Stolz.

Bleibt noch die Frage nach dem Drachen. „Der Mittelpunkt der Gedenkstätte Stolzenbach ist eine 14 m lange Sandsteinmauer, in die bildhauerisch Alltagszenen aus dem Bergbau eingearbeitet sind. Die Sandsteine stammen aus dem Steinbruch Züschen. Der Fritzlarer Dom entstand aus dem gleichen Baumaterial“, erläuterte Friedrich Pohl, der die Gedenkstätte Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre gemeinsam mit seinem Vater und einem Landschaftsarchitekten konzipiert und realisiert hat. Anlass war das verheerende Grubenunglück vom 1. Juni 1988 in der Zeche Stolzenbach, bei dem 51 Bergleute ums Leben kamen. „Die Quader der Sandsteinmauer stellen das Gefüge der Erdschichten dar, in das wir Menschen als Bergleute eingreifen. An einer Stelle wölben sich diese Quader wie bei einem Vulkanausbruch gen Himmel auf. Das Gefüge gerät durcheinander. Chaos entsteht“, schilderte der Künstler seine Überlegungen zur Gestaltung des Erinnerungsortes.

Damals griff der Bildhauer auch auf die Mythologie zurück. Gegenüber den Jugendlichen formulierte er altersgerecht: „In vielen Mythen lebt ein schlafender Drache unter der Erde im Berg. Er wacht gestört durch uns Menschen auf, beginnt zu schnauben und Feuer zu speien. Das ist der Funke, der die Kohlestaubexplosion, das Unglück auslöst.“

Die Jugendlichen hörten dem Bildhauer gebannt zu. Sie nehmen die Gedenkstätte Stolzenbach jetzt als besonderen Ort wahr und sehen in ihm einen würdevollen, tiefgründigen Erinnerungsort an die Bergleute des Borkener Reviers, die bei ihrer gefahrvollen Arbeit ums Leben gekommen sind.

„Genau das war ein Ziel unseres Museumsprojektes“, betont Marcel Kurmann. Der Geschichtsstudent begleitete und leitete das SMART Museum TV für das Bergbaumuseum.

Der ca. zehnminütige Film zur Borkener Bergbaufolgelandschaft ist in Kürze auf youtube unter den Suchbegriffen SMART Museum TV, Zeit für Kinder und Bergbaumuseum Borken anzusehen (www.youtube.de).