Schulunterricht mit dem Putzlappen


Am Anne-Frank-Tag, Freitag, 11. Juni, absolvierten 15 Schülerinnen und Schüler der Klasse 10c der Gustav-Heinemann-Schule eine ungewöhnliche Unterrichtseinheit. Ausgestattet mit Putzlappen, Wassereimern und Reinigungsmitteln suchte die Gymnasialklasse in der Borkener Innenstadt die Wohnorte ehemaliger jüdischer Bürger auf. Hier waren in den Jahren 2014 und 2017 durch den Künstler Gunter Demnig Stolpersteine verlegt worden, die an das Schicksal der jüdischen Bevölkerung erinnern.

Die Jugendlichen legten sich ordentlich ins Zeug, schrubbten, reinigten und brachten den aus Messing gefertigten Stolpersteinen den ursprünglichen Glanz zurück. „Vor der Putzaktion haben wir uns intensiv mit dem Schicksal des jüdischen Mädchens Anne Frank befasst, die durch den Rassismus und die Brutalität des nationalsozialistischen Terror-Regimes in dem Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben kam,“ erläuterte der Klassenlehrer Marco Seibel. Zu diesem Zweck stellte das Anne-Frank-Zentrum der Schule Unterrichtsmaterialien sowie sechs große Plakate mit Informationen über die Familie Frank und den Nationalsozialismus zur Verfügung. Auch die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Borkens war Unterrichtsthema. „Das wichtigste Lernziel bestand darin, Gegenwartsbezüge zum heutigen Rassismus herzustellen und den Schülern und Schülerinnen Orientierungshilfen zu vermitteln,“ hob der Geschichtspädagoge hervor.

Folgerichtig startete der Anne-Frank-Gedenktag mit einem LIVESTREAM aus einer Berliner Schule, den die Borkener Schüler*innen per Internet verfolgten. Die virtuelle Veranstaltung war von dem Anne Frank Zentrum, Berlin, organisiert worden. Unter anderem war ein Zeitzeuge aus Israel zugeschaltet. Danach startete die Putzaktion, die auch bei Bürgermeister Marcèl Pritsch großen Anklang fand.

Der Bürgermeister lobte die Schülerinnen und Schüler für ihr Praxisprojekt, erklärte, dass die jüdischen Bürger einst fester Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft in Borken waren und dass sie eine wichtige Rolle im kulturellen und wirtschaftlichen Leben der Stadt eingenommen haben. „Durch den Nationalsozialismus, der ganz gezielt gegen diese Minderheit in der Gesellschaft vorging, wurden die jüdischen Mitbürger verfolgt und getötet. Gut das Ihr Euch im Unterricht mit diesem Thema beschäftigt, denn so könnt Ihr lernen, das aufkommende Gewalt oder Hetze gegen Minderheiten nicht gesellschaftsfähig ist und Ihr könnt Euch für Minderheiten einsetzen. Eigentlich wollten wir im Mai dieses Jahres weitere Stolpersteine verlegen lassen“, führte Pritsch aus. Leider habe die Pandemie einen Strich durch diese Planungen gemacht. Das Stadtoberhaupt kündigte an: „Wir möchten die Stolperstein-Verlegung im Mai nächsten Jahres nachholen.“

Durch Putzen lernen: Luka Katzschmer und Ridvan Rulani legen sich beim Reinigen der Stolpersteine kräftig ins Zeug.

Mit den neuen Stolpersteinen möchte die Stadt Erinnerungsstätten für die ehemaligen jüdischen Familien Leichtentritt, Lehrberger, Rosenbusch und Nußbaum schaffen. Damit würde an die Herausgeber der Borkener Zeitung bis zum Jahr 1933, an alteingesessene Viehhändler- und Metzgerei-Familien und an den letzten Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Borkens erinnert, der nach dem Jahr 1940 deportiert und wahrscheinlich ermordet wurde. Die neuen Stolpersteine sind beschriftet und liegen schon bereit.