Gedenken an schlimme Zeiten


Mit einem Schweigemarsch vom jüdischen Friedhof in der Borkener Jahnstraße zum Gedenkstein am ehemaligen Standort der Synagoge in der Hintergasse, begann eine würdevolle Gedenkfeier zum 83. Jahrestag der Reichspogromnacht am Dienstag vergangener Woche.

Stadtverordnetenvorsteher Michael Weber begrüßte zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der Großgemeinde sowie Schülerinnen und Schüler der Gustav-Heinemann-Schule und erinnerte an die schlimmen Ereignisse der deutschen Geschichte. Was in jenen Tagen vor 83 Jahren auch in Borken mit der Verfolgung jüdischer Bürger begann, endete mit der Vernichtung europäischer Juden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern.

Persönliche Geschichten

Schülerinnen und Schüler der Klasse 10c der Gustav-Heinemann-Schule beschäftigten sich schon seit einigen Wochen im Unterricht gemeinsam mit ihrer Lehrerin Ann-Kathrin Grethe mit der jüdischen Geschichte. Sie berichteten anschaulich und nachdenklich über die Schicksale zweier Familien, die zur Zeit der NS-Diktatur in Borken gelebt und gearbeitet haben und dabei Schreckliches erfahren mussten. Im Fach Ethik gestalteten die Schülerinnen und Schüler Schuhkartons, die die zerstörten Häuser der Borkener Juden darstellen sollten.

Die Möglichkeit, die ausgestellten Werke in Ruhe zu betrachten und auf sich wirken zu lassen, nutzten alle Teilnehmer im Anschluss der Gedenkveranstaltung.

Pfarrerin Barbara Kunstmann gedachte den Ereignissen als Vertreterin der örtlichen Kirchen. „Tu deinen Mund auf“, forderte sie jeden Einzelnen auf. „Tu deinen Mund auf, um Schwächere zu schützen, damit sich Geschehnisse, wie die während der NS-Zeit nie wieder wiederholen.“ 

Erinnerungskultur aktiv wachhalten

Zerbrochene Schaufensterscheiben und Möbel, die aus dem Fenster geworfen wurden. Im Unterrichtsfach Ethik gestalteten die Schülerinnen und Schüler Schuhkartons, die die zerstörten Häuser der Juden in Borken darstellen sollten.
Hier ist u.a. das Haus der Familie Blum in der Borkener Bahnhofstraße nachgebaut.

Bürgermeister Marcèl Pritsch ergänzte die jüdische Geschichte Borkens mit der Episode eines hölzernen Kleiderbügels, auf dem der Name „Gottlieb“ eingraviert war. Gustav Gottlieb besaß in den 1920er oder 1930er Jahren ein Kleidergeschäft in Borken. Der Kleiderbügel wurde 1938, kurz vor der Reichspogromnacht von der Jüdin Irma Rosenbusch mit ins Ausland genommen, wohin sie noch rechtzeitig vor den Nationalsozialisten flüchten konnte. Ihre Tochter sendete vor Kurzem ein Foto des Gottlieb-Kleiderbügels aus Haifa in Israel. Die daraufhin folgende Recherche förderte eine weitere Tragödie über eine jüdische Borkener Familie zutage.

Bürgermeister Marcèl Pritsch betonte, dass die Erinnerungskultur in Borken aktiv wachgehalten wird. Im kommenden Jahr soll z.B. wieder eine Stolpersteinverlegung zur Erinnerung an jüdische Bürger Borkens stattfinden. Er sagte: „Auch die Toten Hosen haben heute auf Facebook einen Davidsstern mit den Worten: Niemals vergessen: 9./10.11.1938“ gepostet. Sie beziehen Stellung, so wie in den anderen gesellschaftlichen Themen auch … gut so! Ich möchte uns alle ermuntern: Auf uns, auf uns alle kommt es an. Wir entscheiden, wie unsere Gesellschaft heute aussieht und künftig aussehen soll und wie unser Zusammenleben heute und zukünftig.“

Zum Abschluss der Gedenkveranstaltung erfolgte die Kranzniederlegung durch Stadtverordnetenvorsteher Michael Weber und Bürgermeister Marcèl Pritsch am Gedenkstein der ehemaligen Synagoge.

Zum Abschluss legten Stadtverordnetenvorsteher Michael Weber und Bürgermeister Marcèl Pritsch (rechts) gemeinsam einen Kranz am Gedenkstein der ehemaligen Synagoge in der Borkener Hintergasse nieder.